Von den Anfängen des Postwesens in unserer Heimat

(Quelle: Landkreis Peine von der Lehrergemeinschaft für Heimatkunde 1965)

Für uns moderne Menschen, die wir mittlerweile aus dem Zeitalter der Eisenbahn in das der Düsentriebwerke und Raketen vorgestoßen sind, ist es schwer, die Zeit des ausgehenden Mittelalters zu verstehen. Wer verbindet nicht mit dem Bild der Postkutsche romantische Vorstellungen? Wer vermag die körperlichen Anstrengungen zu ermessen, die etwa einem Botengänger abgefordert wurden? Botendienste waren die Vorläufer des Postwesens. Der Bote des 16. Jahrhunderts hatte einen Eid zu leisten, „einen jeden, der siner to gebrukende hefft, treu und aufrichtig zu dienen“. Auf Unterschlagungen standen sehr harte Strafen, Posträubern drohte der Galgen. Dienstpflichtigen Oberger Boten waren vor 200 Jahren ihre Marschleistungen genau vorgeschrieben; täglich hatten sie im Sommer 3, im Winter 2 Doppelmeilen zurückzulegen. Ein Mann beschwerte sich damals, er habe auf dem Wege nach Hameln (9 Doppelmeilen) „4 Tage lang unter der Last der Kiepe biegen und krümmen müssen, so dass er nicht mit heiler Haut davongekommen sei. Einem anderen war als Tagesziel Gandersheim angewiesen. Er hatte so schwer zu schleppen, dass er lieber eine Schubkarre zu Hilfe nahm. In jedem Dorf können alte Leute heute noch von Botengängen erzählen. Ein Wehnser Einwohner pflegte früher bescheiden zu sagen: „Ick mott mol eben na Brunswik hinträen!“ Der alte Wietfebt aus Eltze schaffte, mit Zentnerlast bepackt, regelmäßig den Weg nach Celle und zurück (52 km) in einem Tage. Unvergessen ist in Peine der Botengänger Karl Kaufmann, mit dessen Spitznamen „Schicke-Schake“ sich manche muntere Anekdote verbindet.

Eine reitende Post richtete schon Herzog Heinrich der Jüngere ein. Erster Braunschweig-Lüneburgischer Postmeister wurde 1640 der Hildesheimer Frachtfuhrherr Rötger Hinüber. Er erhielt die Genehmigung, Posthäuser zu errichten. Ein solches stand auch in Groß Lafferde, wo 100 Jahre später Georg Christian Böttcher Posthalter war. Dieser unterhielt eine Relaisstation, in der täglich bis zu 80 Pferde unterzubringen waren. Als nach dem Ende des 30jährigen Krieges der Postdienst, der zunächst Zuschüsse erfordert hatte, einen Aufschwung nahm, richtete Hinüber 1652 die fahrende Post zwischen Braunschweig und Hannover ein, die wöchentlich zweimal über Peine verkehrte. In Braunschweig gewann ab 1660 der Postmeister Hilmar Deichmann zunehmenden Einfluss. Auseinandersetzungen der Landespost mit der Thurn-und-Tacisschen Post, der vom Kaiser das Reichsmonopol verliehen war, blieben ohne größere Folgen, da der Kaiser nicht wagte, gegen die erstarkende Fürstenmacht vorzugehen.

                                      Im Jahre 1678 wurde der Italiener Francesco Stechinelli mit dem Erbgeneralpostmeisteramt belehnt. Er einigste sich mit den beiden bisherigen Postmeistern, die die Verwaltung ihrer Linien behielten. Stechinelli vermehrte die Zahl der Poststationen, so dass alle 3 bis 4 Meilen die Pferde gewechselt werden konnten. Er erbaute 5 neue Posthäuser, darunter den Posthof Ohof, wo stets 6 gute Pferde und auch Wagen mit und ohne Verdeck Als Stechinelli im Jahre 1682 sein Lehen für 26 000 Reichstaler verkaufte, blieben die von ihm erbauten Posthäuser, darunter auch Ohof, in seinem Eigenbesitz.

Doch mehr als die politischen Zusammenhänge der damaligen Zeit interessieren wohl die Freuden und Leiden der Reisenden, die sich dem gelben Wagen anvertrauen mussten. Er hat den Anschein, dass viele unserer Landsleute vor 200 Jahren recht gerne reisten.

Zwar gab es allerlei Mühsale mit den Wegen, den Wagen und dem Wetter – die drei großen W wurden sie einmal genannt - , aber die damalige Zeit kannte unsere heutige Hast noch nicht. Ein Bild des hannoverschen Malers Ramberg, ein Illustration zu dem Roman des berühmten Freiherrn von Knigge „Die Reise nach Braunschweig“, führt uns in die große Stube der peiner Posthalterei, wo sich die Reisenden bei einem unfreiwilligen Aufenthalt vortrefflich zu unterhalten scheinen.

Überhaupt nahm die Abfertigung des Postwagens allerhand Zeit in Anspruch, sie sollte bei Posthalterein ½ Stunde, bei Poststationen sogar 1 Stunde dauern. Der Schwager ließ, wenn er sich dem Halt näherte, das Posthorn erschallen, damit die Pferde zum Wechseln bereitgestellt wurden. Auf dem Stundenzettel wurde die Ankunftzeit , im Postbuch Namen und Ziel der Reisenden vermerkt. Wertvolle Sendungen waren im Postmanual einzutragen. Die übrigen Pakete und Briefe mussten mit dem Laufzettel verglichen, doppelt gewogen und mit dem Portovermerk versehen werden. War schließlich die Abfahrtszeit auf dem Stundenzettel festgestellt, konnte die Fahrt weitergehen. Ja, es ging auch damals schon gründlich und genau zu bei der Post!

1678 kostete eine Reise in der Postkutsche von Hannover nach Braunschweig im Sommer 1 Taler, im Winter 1 Taler und 6 Groschen. Extraposten berechneten je Person und Meile 16 Groschen. Bei der Privatpost gab es verschiedene Gebühren, darunter auch das „Schmiergeld“, das damals noch wirklich für das Schmieren des Wagens vorgesehen war. 1736 betrug das Briefporto von Ohof nach Hannover 1 Groschen, von Ohof nach Celle 8 Pfennig. 1755: „Taxa für eine person mit höchstens 70 Pfund Bagage von Celle auf Ohof 12 Groschen“.

Dass die Reise nicht immer ohne Zwischenfälle abging, beweisen zwei Eintragungen in den Meinerser Akten, von denen die erste aus dem Jahre 1774 stammt:

     „Geschehnis mit der ordinären Postkutsche 6 ½ morgens. Braunschweiger Postillions beschweren sich und

       bringen vor, dass bei Eickenrode an der ersten Brücke über die Teuffels Kuhle ein Loch eingefallen, wo sie

       allemahl risquirten, ein Pferd zu verlieren, muss sofort in Ordnung gebracht werden, weil am Dienstag

       Morgen, am 30 Mai, ein Prinz mit 22 Pferden darüber pahsiren mühse“.

Und am 16. August 1762 wird gar vom Kgl. Postamt in Hannover berichtet, dass

      „am 13. hujus ein Postpferd auf der bey Eltze über den Erße Fluß gehenden Brücke Schaden bekommen,

         indem es durchgefallen …“

Die bösen Wegeverhältnisse besserten sich nur sehr allmählich. Als erste wurde die Straße Braunschweig – Celle befestigt. Im Jahre 1808 war die Pflasterung bis nach Ohof vorangekommen. Napoleonstraße nannten die Leute die neue schnurgerade „Chaussee“, denn auf Befehl des französischen Kaisers war sie aus militärischen Gründen angelegt worden. Ursprünglich war nur ein sehr schmales Mittelstück für die Geschütze und Trossfahrzeuge mit groben Steinen gepflastert; daneben zogen sie rechts und links die unbefestigten Sandwege für Reiterei und Fußvolk hin. 1821/22 wurde die Heerstraße Steinbrück – Groß Lafferde, die jetzige Bundesstraße 1, bis zur Landesgrenze ausgebaut, um Goslarschen Bergleuten Arbeit und Verdienst zu geben. Trotz mancherlei Beihilfen und sonstiger fördernder Maßnahmen erreichte die erste feste Straße Peine erst im Jahre 1857, sie kam von Groß Lafferde.

Am 19. Mai 1844, einem Himmelfahrtstag, brach dann für Peine eine neue Zeit an. Die Eisenbahnstrecke Hannover – Braunschweig wurde eröffnet. Einige Sätze aus der Begrüßungsrede des damaligen Peiner Bürgermeisters Groschupf verdienen es, festgehalten zu werden:

        „Wir und die Bürger sind von der Wichtigkeit des Augenblicks durchdrungen. Bis jetzt hat die Stadt nach keinem Ort einen chaussierten Weg und ist im Winter fast isoliert. In dieser Minute tritt sie mit den großen Städten in den Weltverkehr. Seit langer Zeit war die Stadt in einem beständigen Sinken. Wir hoffen zuversichtlich: Dieser Augenblick wird der Wendepunkt sein, von dem an sie sich wieder hebt durch vermehrten Gewerbefleiß und vermehrten Handel“.

Wir müssen dem damaligen Stadtoberhaupt Weitblick bescheinigen. Aber kein Peiner Bürger vermochte in jener Zeit wohl schon vorauszusehen, in welchem Maße das heraufkommende Maschinenzeitalter seine Stadt und den umliegenden Raum umgestalten würde. Eisen und Stahl waren die Werkstoffe, die in immer steigender Menge benötigt wurden. Mutige Unternehmer bauten von 1858 an die Ilseder Hütte auf, zu der seit 1873 das Peiner Walzwerk gehörte.

Doch zurück zur Entwicklung des Eisenbahnnetzes. zu der ersten über Peine – Braunschweig verlaufenden Ost – West – Verbindung trat 1871 die zweite direkte Durchgangsstrecke nach Berlin, an der in unserem Kreise die Bahnhöfe Dedenhausen, Plockhorst und Meinersen (Ohof) liegen – spätere Verbindung zum VW-Werk in Wolfsburg. Auch in Wipshausen existierte ein Bahnhof, dessen Gebäude auch heute noch vorhanden sind. Ob sich die Baukosten für die Nebenstrecke Plockhorst – Peine, die 1922 in Betrieb genommen wurde und die jetzt fast ganz ruht, gelohnt haben, muss wohl bezweifelt werden.

Auch die Post, deren Entwicklung mit dem technischen Aufstieg und den ganz neuen Verkehrsbedingungen Schritt gehalten hatte, besann sich wieder auf ihre Tradition. An Stelle der alten Postkutsche fahren seit 1928 die gelben Postomnibusse durch das Peiner Land. Die erste Kraftpostlinie wurde 1925 eröffnet und führte nach Leiferde. Weitere 8 Linien wurden bis 1933 eingerichtet. Auch der Stadt-Omnibusbetrieb Hartung hat seit 1928 Anteil an der Verkehrserschließung des Kreises. Mit den Schulbussen des Landkreises, die seit 1963 im Südkreis und seit 1965 im Nordkreis die Schüler nach den Schulzentren und Mittelpunktschulen befördern, ist diese Entwicklung weitergeführt, aber sicher noch nicht abgeschlossen.

Eine Betrachtung der Postwege und Verkehrsdichte des Kreises Peine wäre nicht vollständig, würde sie an der Tatsache vorübergehen, dass mit dem Ems – Weser – Elbe – Kanal (Mittellandkanal – nach dem Ersten Weltkrieg begonnen und 1928 dem Verkehr übergeben. Der Wasserweg bis zur Elbe wurde allerdings erst 1939 vollendet!) und der Autobahn (1933 begonnen und 1935 fertig gestellt) zwei der wichtigsten europäischen West – Ost – Verkehrslinien die Stadt Peine berühren.