Milchverarbeitung in der Molkerei

(Quelle: Landkreis Peine von der Lehrerarbeitsgemeinschaft für Heimatkunde 1965)

 

Die Kuh gehört seit alter Zeit zum wichtigsten Besitz des Bauern, und au die Haltung und Pflege des Milchviehs wird stets viel Sorgfalt verwendet. Milch und Milchprodukte sind von fast unersetzlichem Nährwert, und Sauberkeit und Gesundheit stehen hier in engstem Zusammenhang.

Früher wurden die Kühe mit der Hand gemolken, aber heute besorgt dies auf den Höfen eine Melkmaschine. Nach einem festen Plan kommt in jeden Stall ein Milchkontrolleur. Er misst die Milch auf ihren Fettgehalt, der in Prozenten angegeben wird, und stellt auch die Milchmenge von jeder Kuh fest. Aus den gesammelten Unterlagen errechnet er die Jahresleistung jeder überprüften Kuh an Milch und Fett i Kilogramm. Nach dem durchschnittlichen Fettgehalt, der Reinheit, dem Frischezustand und der Kannensauberkeit stuft die Molkerei die Milch in die 1., 2. oder 3. Güteklasse ein. Milch mit hohem Fettgehalt ist wertvoller als Milch mit niedrigem Fettgehalt. Aus dem Fett der Milch stellt die Molkerei nämlich die Butter her.

Morgens holt der Milchwagen die vor dem Hof abgestellten vollen Kannen ab. An der Molkerei wuchtet der Milchkutscher sie von seinem Wagen auf ein Förderband der Molkereirampe. Auf diesem Band gelangen die Kannen an eine große Wanne, in die die Milch hineingegossen wird. Die Milch wird gewogen, ihre enge in Kilogramm angegeben. Zu der Nummer der Kanne schreibt eine Frau auf, wie viel Kilogramm der Bauer geliefert hat. Durch einen schnellen Hebelgriff lässt die Frau die Milch aus der Wiegewanne in ein großes Sammelbecken fließen. Die Milch wird einer Vorreinigung unterzogen und kommt dann in den Kurzerhitzer. Hier erhitzt man sie 40 Sekunden lang auf 71 bis 74 Grad, um alle Krankheitskeime abzutöten. Die angelieferte Milch aus den kontrollierten Ställen ist Tbc-und gangfrei. So nennt man Milch ohne die Krankheitskeime, die Tbc oder Bangsche Krankheit hervorrufen.

Nach dieser kurzen Erhitzung, die die Vitamine und Nährstoffe der Milch nicht schädigt, fließt die Milch in die Zentrifuge. Sie trennt den Fettanteil, der 3 % übersteigt, von der Trinkmilch ab. Rohrleitungen führen dann Milch und Sahne weiter. Trinkmilch gelangt in die Packmaschine, wo sie automatisch in Tüten läuft, die maschinell verschlossen werden. Nur das Aufstecken der leeren Tüten und das Abnehmen der verschlossenen vollen Tüten besorgt eine Frau. In größeren Molkereien wird auch diese Arbeit schon von der Maschine erledigt. Ein Lieferwagen bringt die Trinkmilch zu den Einzelhändlern, den Betrieben und in die Schulen.

Die Molkereien verarbeiten auch einen Teil der Milch zu einem Kakaogetränk, das bei Schülern noch beliebter ist als die Trinkmilch. Sind genügend Tüten mit Trinkmilch gefüllt, so entzieht die Zentrifuge der och verbleibenden Milch alle Sahne bei der günstigsten Entrahmungstemperatur von 40 bis 43 Grad und lässt die entrahmte Milch in einen Behälter fließen. Sie heißt jetzt Magermilch und enthält noch reichlich Eiweiß und Zucker, ist also noch ein hochwertiges Nahrungsmittel. Magermilch kommt zum größten Teil zum Bauern zurück, der sie hauptsächlich an seine Schweine und Kälber verfüttert; sie wird aber auch zu Quark verarbeitet.

Die Verarbeitung der Sahne ist die Haupttätigkeit der Molkerei. Ein Teil der Sahne wird maschinell in Tüten verpackt und als Schlagsahne in Haushaltungen und Konditoreien verwendet. Der größte Teil verbleibt jedoch in der Molkerei und wird zu Butter verarbeitet. Die Sahne wird zunächst auf 98 Grad erhitzt und läuft dann in einen besonderen Behälter, den Rahmreifer. Hier bringt man sie auf die günstigste Säuerungstemperatur von 21 Grad und setzt ihr „Reinkulturen“ zu. Das sind Säurebakterien, die für die Butterherstellung notwendig sind, da sie der Butter eine gewisse Haltbarkeit und das Aroma geben. Die Molkerei bezieht diese Reinkulturen alle paar Wochen frisch von einem Laboratorium, damit sie für den Betrieb immer einwandfreie Bakterienstämme behält; denn neben der Sauberkeit in einer Molkerei sind gerade diese Bakterien für die Güte der Butter maßgebend.

Wie der Bäcker von dem Brotteig immer eine kleine Menge als Sauerteig für das nächste Backen zurückbehält, so füllt der Buttermeister eine kleine Menge saure Sahne ab und setzt sie der nächsten frischen Sahne im Rahmreifer wieder zu, bis erneut Reinkulturen aus dem Laboratorium eintreffen.

Die Reife der Sahne im Rahmreifer beginnt mittags, wenn die angelieferte Milch verarbeitet ist. Der Buttermeister überwacht den Reifungsprozess. Gegen Abend, wenn die Sahne die nötigen Reifegrade erreicht hat, unterbindet er die Tätigkeit der Bakterien, indem er die Temperatur im Rahmreifer auf 9 Grad herabsetzt. Am nächsten Morgen kommt die reife Sahne in das Butterfass. Das ist groß, rund, aus braunem Holz. Es fasst 5000 Liter, wird aber zum Buttern nur mit 2000 Litern gefüllt. Das Butterfass arbeitet wie eine Trommelwaschmaschine; es dreht sich. Eingebaute Holzrippen bringen die Sahne noch zusätzlich in Bewegung. Die kleinen Fetteilchen der Sahne setzen sich zu großen, goldgelben Butterklumpen zusammen. Übrig bleibt die Buttermilch. Auch von ihr gehen große Mengen zurück an die Bauern oder in die Schweinemästereien. Buttermilch ist ihrer Bekömmlichkeit wegen besonders im Sommer las Getränk bei Kindern und Erwachsenen sehr beliebt. Aus den 2000 Litern Sahne sind 800 kg Butter geworden. Tief fährt die lange Holzrinne des Entnahmewagens in das Butterfass. Auf diese Holzrinne wirft das drehende Butterfass die Butter. Sie gelangt nur auf einen langen Tisch und weiter in eine Formmaschine, die sie automatisch in 250 g oder in 125 g – Päckchen verpackt. In diesen Stücken kommt die Butter in den Handel.

In ganz modernen Betrieben ist das Butterfass aus Nirosta (nicht rostendem Stahl), es hat die Form eines Oktaeders, eines Achtecks. Hierin wird die Sahne nur bis Weizenkorngröße abgebuttert und dann die Buttermilch abgelassen. Durch zweimaliges Waschen in klarem Wasser werden auch die letzten Milchreste entfernt, da sie die Haltbarkeit der Butter herabsetzen. Beim Kneten nimmt die Butter die Wassermenge auf, die sie laut Vorschrift haben darf. Das sind zur Zeit 16 % (1960).

Die Molkerei Dedenhausen verarbeitet im Jahr 6 Millionen Liter Milch mit einem Durchschnittsfettgehalt von 3,8 % (1960). Als Trinkmild verlassen 1 800 000 Liter wieder die Molkerei. Der Rest ist Werkmilch, die zu Sahne, Butter und Käse verarbeitet wird.

Die größte Molkerei unseres Kreises, die Zentralmolkerei Peine, verarbeitet im Jahr rund 15 Millionen Liter Milch, davon werden 6 Millionen Liter Trinkmilch. Im Landkreis Peine werden im Jahr 30 bis 31 Millionen Liter Milch erzeugt, das ist eine Tagesleistung von über 80 000 Liter.

Um Käse herstellen zu können, muss erst Quark gewonnen werden. Dazu wird die Milch in großen Wannen künstlich eingesäuert. Sie teilt sich durch die Säurebakterien in Quark und eine Flüssigkeit, die Molke genannt wird. Molke enthält noch Eiweiß und Zucker und wird auch an Schweine verfüttert.

Der Quark kommt in eine Maschine, den Kutter. Dieser arbeitet wie ein Mixer im Haushalt, ist aber größer und kann erheblich mehr leisten. Er macht den Quark schon streichfertig. Unter Zusatz von Sahne werden Speisequark und Schichtkäse hergestellt. Der feuchte Quark wird in Säcke verpackt, gepresst und getrocknet. Aus dem so gewonnenen groben Quark stellen Käsebäcker, wie in Groß Ilsede und Harsum, Harzkäse, Schimmelkäse, Kochkäse oder Bauernkäse her. In der Molkerei wird in einer runden Form ein Weichkäse, der Camembert, gebacken. Neben der Säurekäserei gibt es auch die Labkäserei. Hierbei dickt das Labferment aus dem Kälbermagen die Milch ein. Diese Art der Käseherstellung gibt es im Landkreis Peine nicht.

Noch vor ein paar Jahren gab es im Landkreis Peine in vielen Dörfern Molkereien. Eine große Anzahl ist heute stillgelegt. Nur größere Betriebe können sich die nötigen Maschinen beschaffen. Statt vieler kleiner Betriebe haben wir heute im Kreisgebiet fünf Großmolkereien, die rentabler arbeiten können: die Zentralmolkerei in Peine, die beiden Molkerei-genossenschaften in Adenstedt und Stedum und die Privatmolkerei in Dedenhausen und Stederdorf.